Parallel zur ersten Wanderversammlung 1884 des neu gegründeten Verbandes Deutscher Brieftauben-Liebhabervereine fand eine Ausstellung gereister Brieftauben statt - wobei diese Tauben im Anschluss versteigert wurden.
Der Statuten-Entwurf für die Gründungsversammlung sah bereits einen Passus zum Abhalten einer Verbandsausstellung vor. Ein solcher Paragraph wurde dann auch in die erste Satzung des Verbandes Deutscher Brieftaubenliebhaber-Vereine aufgenommen.
Ab dem darauffolgenden Jahr fand eine Ausstellung statt mit Bewertung durch einige Preisrichter, wie wir es heute noch kennen. Die Tauben wurden anfangs nicht getrennt in Klassen für Weibchen und Männchen ausgestellt, sondern in einer allgemeinen Klasse.
Auch waren die Ausstellungen im Herbst eines Flugjahres – bis nach der Mauser konnte man nicht warten, waren doch mit dem Federwechsel auch die Flügelstempel verschwunden. Eine Zuordnung von Leistungen auf den Flügen zu einer bestimmten Taube wurde damit unmöglich.
In den Folgejahren erfolgte eine Trennung nach Geschlechter und spätestens mit Einführung von Fußringen konnten auch Klassen für Jungtauben und Jährige eingerichtet werden. Die Fußringe machten dann auch Ausstellungen nach dem Ende der Mauser möglich.
In Deutschland fanden Ausstellungen schon früh unter Berücksichtigung der Flugleistungen statt. In den Nachbarländern waren Ausstellungen in den frühesten Jahren nach Farben zusammen gestellt.
In England spielte die Farbgebung eine herausragende Rolle und das bereits um 1896 vorhandene Punkteverzeichnis, nach der die Preisrichter ihre Bewertung vornahmen, konnte auf Deutschland nicht übertragen werden: in Deutschland wurden keine speziellen Ausstellungstauben gezüchtet. Man hatte Reisetauben, die auch auf Ausstellungen miteinander konkurrierten.
Im Juni 1889 wurde in der "Zeitschrift für Brieftaubenkunde" ein erstes Ausstellungsreglement veröffentlicht, welches für die nächste Verbandsausstellung verbindlich wurde.
Die darin getroffenen Regelungen hatten mit kleinen Änderungen für die nächsten Jahrzehnte Bestand. Es waren nur noch Tauben zugelassen, die im Ausstellungsjahr Preise errungen hatten.
Die Prämierung sollte vorrangig nach Leistung, Ausdauer und Sicherheit erfolgen und die gesamte Figur der Brieftaube Berücksichtigung finden. Ein schön gebauter Körper, breite Brust, starke Flügel sollten hier der Maßstab sein, nicht aber die Farbe der Taube.
Dies war also eine relativ oberflächliche Beschreibung dessen, wie eine Taube optimaler Weise aussehen sollte. Dazu muss man wissen, dass auch zu dieser Zeit die Tauben in den Käfigen verblieben - der Preisrichter nahm sie zur Beurteilung also nicht in die Hand.
Die Wanderversammlung 1905 brachte dann neue Ausstellungsvorschriften für Verbandsausstellungen und den Beschluss über "Anhaltspunkte für Preisrichter zur Bewertung der Tauben im Verband Deutscher Brieftaubenliebhaber". Somit hatten die Preisrichter nun eine Beschreibung der zu bewertenden Kriterien an die Hand bekommen.
Die Bewertung nahmen die Preisrichter nach Punkten vor:
1. Gesamteindruck
2. Gefieder
3. Kopf und seine Teile
4. Beine und Füße
für ganz fehlerlose Tauben in Summe
bis 6 Punkte
bis 3 Punkte
bis 4 Punkte
bis 2 Punkte
= 15 Punkte
Man kann hier von der ersten Standardbeschreibung von Brieftauben durch Preisrichter im Verband Deutscher Brieftauben-Liebhabervereine sprechen.
In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg wurden die Verbandsausstellungen unter dem Titel einer Militär-Brieftauben-Ausstellung veranstaltet.
Auf den Verbandstagen am 12.10.1919 in Weimar wurde die Gründung einer Preisrichter-Vereinigung innerhalb des Verbandes beschlossen und eine Kommsision gebildet, die die Vorbereitungen dazu treffen sollte.
Daneben wurden die Ausstellungsvorschriften des Verbandes geändert und Klassen für "Sieger" und "Flieger" eingerichtet: die "Flieger" - Klassen setzten lediglich eine Teilnahme am Flug voraus, die "Sieger" - Klassen verlangten demgegenüber Wettflugpreise.
Dies war ein Kompromiss zwischen der gerade in Rheinland und Westfalen ausgeprägten Meinung, dass auf die sportliche Leistung bei den Wettflügen das Hauptaugenmerk zu legen sei und den Liebhabern schöner Brieftauben, die sich nicht so regelmäßig in den Preislisten platzieren konnten.
Am 14.02.1920 gründete sich die Preisrichter-Vereinigung (PV) dann schließlich während der Verbandstage in Leipzig.
K. Killmer aus Wuppertal wurde als erster Vorsitzender der PV gewählt.
Die nächsten Jahre verwendete die Preisrichter-Vereinigung dazu sich zu organisieren und Strukturen zu schaffen. Es herrschte unter den Züchtern immer wieder Unzufriedenheit über die ungleiche und nicht abgestimmte Bewertung von Brieftauben auf Ausstellungen. Die Tauben wurden nur nach optischen Kriterien bewertet und dabei nicht aus dem Käfig genommen. Hier bestand dringender Regelungsbedarf.
Da es bisher keine geregelte Ausbildung und Schulung von Preisrichter und auch keine nachvollziehbare Standardbeschreibung gab, bestand hier dringender Nachbesserungs- und Regelungsbedarf.
1924 installierte man die Preisrichter-Obleute, die als Beauftagte der Preisrichter-Vereinigung in den Bezirken agierten.
Käfigkarten wurde im Jahr 1929 eingeführt. Anfangs weigerten sich die Preisrichter allerdings die Wertungen auf der Karte bekannt zu geben. Die Züchter und Besucher hatten jedoch ein starkes Interesse daran - machte es doch endlich nachvollziehbar, an welchen Stellen die jeweilige Brieftaube ihre Stärken oder eben auch Schwächen hatte.
Zu dieser Zeit war es immer noch so, dass die Tauben bei der Beurteilung im Käfig verblieben und eben nicht in die Hand genommen wurden. Dies änderte sich nach jahrelangen Diskussionen erst durch Beschluss im Januar 1931. Ab 1932 wurde die Handbewertung verpflichtend umgesetzt.
Das Jahr 1933 war nach der Machtübernahme durch Hitler das Jahr der Gleichschaltung, die die Preisrichter-Vereinigung ebenso betraf wie den Verband Deutscher Brieftaubenliebhaber-Vereine und alle anderen Vereine und Institutionen.
Der Vorstand wurde komplett ausgetauscht und die Preisrichter mussten sich der "Vereinigung deutscher Geflügelpreisrichter, Gruppe Reisebrieftauben" anschließen.
Im Jahr 1934 wurde dann die Einführung des 30-Punkte-Standards verordnet, über die bereits länger diskutiert worden war. Dies führte vielfach zu Unzufriedenheit unter den Züchtern. Man ging zu einem 20-Punkte-System über, welches in 1937 aber auch noch einmal überarbeitet wurde.
Im Jahr 1938 fand die erste Internationale Brieftauben-Ausstellung (IBRA) in Brüssel statt, bei der Deutschland den 5. Platz belegen konnte.
Die zweite IBRA im Jahr darauf wurde in Köln ausgerichtet. Auf der IBRA wurden die Tauben nach dem internationalen 100-Punkte-Standard bewertet. Dies bewirkte, dass sich die deutschen Züchter für den internationalen Standard begeisterten, der größere Abstufungen ermöglichte.
Der internationale Standard wurde in Deutschland allerdings erst im Jahr 1941 übernommen.
Die IBRA gilt als Vorläuferin der Olympiaden und wurde ebenso vom Internationalen Brieftaubenverband Federation Colombophile Internationale (FCI) ausgerichtet wie die Olympiaden dann in der Folge.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der FCI neu gegründet und richtet seit 1949 im zweijährigen Abstand Brieftauben-Olympiaden aus. Dort treten Mannschaften der teilnehmenden Nationen in den Kategorien "Sport" und "Standard" gegeneinander an.
Deutschland konnte sich lange nicht in die Siegerlisten einer Olympiade eintragen. Dies änderte sich im Jahr 1961 mit dem 2. Platz der Mannschaft West-Deutschlands und der Silbermedaille.
In den Folgejahren gab es einige Änderungen und Anpassungen im Standard. 1978 war man zu einer Höchstpunktzahl von 95 Punkten gewechselt, von der man in den 1980er Jahren aber wieder abgewichen war.
1991 kehrte man sowohl beim FCI als auch in Deutschland zum 95-Punkte-Standard zurück. Die Preisrichter aus Deutschland hatten an der Standardbeschreibung prägend mitgearbeitet.
Als gesamtdeutsche Mannschaft gelang auf der Olympiade in Basel 1997 erstmals der Sprung auf das Podest, ebenfalls mit der Silbermedaille.
Der erste Olympiasieg glückte 1999, dem sich drei weitere erste Plätze anschlossen. Danach konnte sich Deutschland immer auf dem Podest platzieren. Dies ist sicher auf das gute Händchen der Preisrichter bei der Auswahl der Tauben für die Olympia-Mannschaft zurück zu führen.